Kapitel 6 – Wie wir erschließen, was wir nicht sehen (und welche Fehler wir dabei machen)

Dieses Kapitel beschäftigt sich zu Beginn wesentlich mit Schlussfolgerungen, die wir über die Verhaltensweisen anderer Personen ziehen: Warum handelt eine andere Person in einer bestimmten Weise? In der Beantwortung dieser Fragen führen wir beobachtete Handlungen auf angenommene Ursachen zurück – wir attribuieren das Verhalten, wie Psychologen sagen. Wenn wir in der Interaktion mit anderen nicht nahezu permanent solche Attributionen vornehmen würden, könnten wir kaum sinnvoll und angemessen auf sie reagieren. Grund genug, dass sich die Psychologie mit solchen Schlussfolgerungen beschäftigt hat. Dabei tendieren wir alle dazu, einen Grundfehler zu machen, der so häufig nachgewiesen wurde, dass er entsprechend genannt wird: Der fundamentale Attributionsfehler.

In diesem Video erklärt Lee Ross den Fundamentalen Attributionsfehler.

 

Hier ein Video des Youtube Kanal Think101 – ein Besuch dort lohnt sich gewiss. Lee Ross und Richard Nisbett erzählen hier, wie es vor vielen Jahren zu ihrer Forschung zum fundamentalen Attributionsfehler kam und was die wesentlichen Befunde sind:

Der fundamentale Attributionsfehler ist jedoch in verschiedenen Kulturen unterschiedlich stark ausgeprägt. Ich veranschauliche dies zum Beispiel mit einer Studie von Michael Morris und Kaiping Peng, die auch hier beschrieben wird:

https://www.psychologytoday.com/blog/culture-conscious/201207/why-do-killers-kill

 

Eine ganz andere Perspektive auf menschliches Schlussfolgern schlagen die beiden Evolutionspsychologen Leda Cosmides and John Tooby vor. Hier legen sie ihre Sicht der Dinge dar:

Dieser Überblicksartikel von den beiden ist äußerst lesenswert, und auch für Nicht-Psychologen durchaus verständlich und interessant:
Cosmides, L. & Tooby, J. (2013). Evolutionary psychology: New perspectives on cognition and motivation. Annual Review of Psychology, 64, 201-229.

 

Der Psychologe Gerd Gigerenzer ist Direktor der Abteilung „Adaptives Verhalten und Kognition“ am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Auch er wendet eine evolutionäre Perspektive auf menschliches Schlussfolgern an, speziell auf die Wahrnehmung und den Umgang mit Risiken. Diese Forschung hat direkt angewandte Bedeutung für den Umgang mit Risiken. Eine Personengruppe, die hiermit beruflich umgehen muss, sind Ärzte: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Patient eine bestimmt Krankheit hat, wenn ein Test diese Krankheit angezeigt hat. Natürlich ist diese Wahrscheinlichkeit kleiner 1, denn es kann ja auch immer Fehldiagnosen geben.  Gigerenzen hat wiederholt gezeigt, dass und warum Ärzte (wie wahrscheinlich die meisten Menschen) hier starke Fehleinschätzungen vornehmen. Einen Einstieg in seine Argumente bietet ein Artikel aus dem SPIEGEL:

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/viele-aerzte-verstehen-statistiken-zu-diagnosen-nicht-a-844210.html

Oder auch diese Interview mit dem SPIEGEL:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78313686.html

Ein anderes medizinisches Beispiel ist die Mammographie, zu der Gigerenzer seit Jahren eine sehr kritische Haltung vertritt. Auch hierüber hat der SPIEGEL berichtet:

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/mammografie-screening-zur-frueherkennung-von-brustkrebs-in-der-kritik-a-981994.html

 

Wer mehr Zeit hat, dem seien ein paar Buchtipss zu Gerd Gigerenzer ans Herz gelegt. Einen tollen Einstieg in seine faszinierenden Arbeiten bieten diese zwei Bücher von ihm (die sich ebenfalls an ein breites Leserspektrum richten):

Gigerenzer, G. (2002). Das Einmaleins der Skepsis: Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin: Berlin Verlag.

Gigerenzer, G. (2013). Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. Bertelsmann.

 

Auch Gigerenzer hat einen sehenswerten TED Vortrag gehalten:

 

Und hier noch ein Verweis auf ein Interview mit dem Deutschlandfunk:
http://www.deutschlandradiokultur.de/rubrik-stoerenfried-was-ist-eine-regenwahrscheinlichkeit.976.de.html?dram:article_id=292400

 

 

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